Theoretische Grundlagen
Nach Myschker (2009) ist eine Verhaltensstörung „ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungen abweichendes maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieureaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann“ (S. 49). Deutliche Auffälligkeiten in der emotionalen und sozialen Entwicklung gelten als das Ergebnis einer Entwicklungsgeschichte (Fingerle, 2008), unterliegen zahlreichen biologischen, psychologischen und sozialen Einflussfaktoren und wirken sich in der Regel ungünstig auf die schulische Situation des betroffenen Kindes aus.
Studien zeigen, dass zwischen 3 bis 20 % aller Grundschülerinnen und Grundschüler als verhaltensauffällig eingestuft werden (Höllig, Erhart, Ravens-Sieberer & Schlack, 2007). Bezogen auf eine Klasse mit 25 Kindern betreffen deutliche soziale und emotionale Probleme im Durchschnitt bis zu fünf Kinder mit einer großen Bandbreite möglicher Auffälligkeiten. Im Grundschulalter kommen besonders häufig Aufmerksamkeitsdefizite (4 bis 18 %; Überblick bei Lauth & Schlottke, 2009), aggressive Verhaltensweisen (2 bis 16 %; Nock, Kazdin, Hiripi & Kessler, 2007) und ängstliches Verhalten (9 bis 10 %; Federer, Herrle, Margraf & Schneider, 2000) vor. In vielen Fällen treten solche Auffälligkeiten kombiniert auf.
Diese Prävalenzangaben führen zu der Schlussfolgerung, dass emotionales und soziales Problemverhalten in der Schule keine Ausnahme ist. Lehrkräfte stehen in ihrem Unterrichtsalltag alltäglich vor der Herausforderung, Schülerinnen oder Schüler mit schwierigem Verhalten so in eine Klasse zu integrieren, dass dieses Kind in der emotionalen und sozialen Entwicklung optimal gefördert wird, damit das Kind und seine Mitschülerinnen und Mitschüler unter bestmöglichen Bedingungen lernen können und Lern- und Erziehungsziele erreicht werden.
Literatur
Federer, M., Herrle, J., Margraf, J. & Schneider, S. (2000). Trennungsangst und Agoraphobie bei Achtjährigen. Praxis der Kinderpsychologie und Kinderpsychiatrie, 49, 83-96.
Fingerle, M. (2008). Einführung in die Entwicklungspsychopathologie. In B. Gasteiger-Klicpera, H. Julius & Ch. Klicpera (Hrsg.), Sonderpädagogik der sozialen und emotionalen Entwicklung (S. 67-80). Göttingen: Hogrefe.
Höllig, H., Erhart, M., Ravens-Sieberer, U. & Schlack, R. (2007). Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen. Erste Ergebnisse aus dem Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS). Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz, 50, 784-793.
Lauth, G.W. & Schlottke, P.F. (2009). Training mit aufmerksamkeitsgestörten Kindern (6., vollständig überarbeitete Aufl.). Weinheim: Beltz.
Myschker, N. (2009).Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen. Erscheinungsformen-Ursachen-Hilfreiche Maßnahmen. Stuttgart: Kohlhammer.
Nock, M.K., Kazdin, A.E., Hiripi, E. & Kessler, R.C. (2007). Lifetime prevalence, correlates, and persistence of DSM-IV oppositional defiant disorder: Results from the National Comorbidity Survey Replication. Journal of Child Psychology and Psychiatry, 48, 703-713.