Die Lernförderung im RIM auf den Förderebenen I und II

Neben einer gezielten Förderung beim Schriftspracherwerb und im Mathematikunterricht  erhalten Kinder Hilfen zur Bewältigung von Lernrisiken, wie z. B. Aufmerksamkeitsdefiziten, Angst oder auch bei Sprachentwicklungsproblemen.

Wesentlich für die Förderung im Bereich Lernen auf den Förderebenen I und II ist der Aspekt der Binnendifferenzierung: Ein hohes Maß an Qualität im Unterricht und in den Förderstunden soll durch eine zielgerichtete „innere Differenzierung“ (Borchert, 1996, S. 53) erreicht werden. Vorhandene Lernrückstände können im Sinne eines Lücken schließenden Lernens ausgeglichen oder gemindert werden. Bei deutlichen Leistungsrückständen heben differenzierende Maßnahmen auf das Erreichen von Mindeststandards ab. Die als Handreichung für Lehrkräfte zur Förderplanung ausgearbeiteten Navigationssysteme Rechnen, Lesen und Rechtschreibung enthalten Angaben zu Mindestlernzielen, die erreicht werden sollten, um den betroffenen Schülerinnen und Schülern einen Schulabschluss zu ermöglichen.

Einen Spezialfall der inneren Differenzierung stellt die Individualisierung dar. Die Prinzipien der inneren Differenzierung werden nunmehr auf einzelne Schülerinnen und Schüler angewandt. Voraussetzung für den Einsatz von Verfahren der inneren Differenzierung und der Individualisierung ist ein strukturiert aufbereiteter Lehrstoff und eine kontinuierliche, den Lernprozess begleitende Beobachtung von Lernfortschritten. Diese kann durch Kurztests (CBM), aber auch durch die Korrektur und Analyse von Schülerarbeiten und Verhaltensbeobachtungen erfolgen. Die für den Deutsch- und Mathematikunterricht ausgewählten Materialien im RIM beinhalten eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Differenzierung.

Weiterhin sollen besonders effektive Lehr- und Lernmethoden zum Erreichen von Mindeststandards eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die direkte bzw. explizite Instruktion. Mit der direkten oder expliziten Instruktion präsentiert die Lehrkraft neue bzw. nicht verstandene Informationen und lenkt den Lernprozess bis zur sicheren Festigung und Verankerung der neuen Inhalte im Langzeitgedächtnis. Dies bezieht sich auf sämtliche Phasen des Lehr-Lernprozesses, angefangen bei der Aktivierung des Vorwissens, der ersten Darstellung der neuen Wissenselemente, der Gestaltung vielfältiger, aufeinander bezogener Übungen bis hin zur Festigung und Abgrenzung dieses Wissens von anderen Inhalten. Die direkte oder explizite Instruktion als Unterrichtsform eignet sich insbesondere für die Vermittlung von Grundfertigkeiten und klar strukturiertem Faktenwissen. Gut organisierte Darstellungen, klare Erklärungen sowie gut gewählte Beispiele und Gegenbeispiele tragen dazu bei, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Wissen besser vernetzen und so ein Begriffsnetzwerk aufbauen können. Diese Methode eignet sich insbesondere bei jüngeren und leistungsschwächeren Schülerinnen und Schülern.

Die Wahl des Unterrichtskonzeptes soll flexibel unter Berücksichtigung der Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler, der jeweiligen Lerngegenstände und persönlicher Erfahrungen der Lehrkräfte erfolgen.

Die Lernförderung im RIM auf der Förderebene III

Schüler mit einem IQ < 85 werden auf der Förderebene III mit dem Denktraining von Klauer in den Formen „Keiner ist so schlau wie ich“ (Marx & Klauer, 2007, 2009, 2011; Strathmann & Jakubowski, 2011) oder „Denk dich fit“ (Strathmann, 2014) trainiert.

In dem Trainingsprogramm geht es um die Vermittlung induktiven Denkens, das in der Schule und im Alltag sowie in vielen Bereichen der kindlichen Entwicklung eine zentrale Rolle spielt. Nach Klauer (2001) besteht induktives Denken im Entdecken von Regeln durch die Feststellung der Gleichheit und/oder Verschiedenheit von Eigenschaften (Merkmalen) von Dingen oder Beziehungen (Relationen) zwischen Dingen.

Sechs Möglichkeiten des induktiven Denkens

(Marx & Klauer, 2007; Darstellung der Abb. erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Hrsg.)

Denktrainings nach Klauer fördern die geistigen und sprachlichen Fähigkeiten von Kindern. In über achtzig Studien wurde die Nachhaltigkeit des Fördertrainings zum induktiven Denken empirisch belegt (Klauer, 2014, Klauer & Phye, 2008). Bei Kindern ist nach dem Training ein allgemeiner Intelligenzanstieg nachweisbar. Darüber hinaus zeigt sich ein größeres Verständnis für den Lernstoff in der Schule, sodass die Effekte nicht nur Auswirkungen auf den Intelligenzquotienten haben, sondern auch auf das Erlernen neuer schulischer Inhalte. Ein zusätzlicher Effekt entsteht zudem im sprachlichen Bereich. Anhand einer Stichprobe von 500 Kindergartenkindern konnten Marx und Klauer (2007) nachweisen, dass sich die Arbeit mit dem Trainingsmaterial positiv auf die sprachliche Entwicklung auswirkt. Das Training soll den Kindern als übergeordnetes Ziel eine kognitive Strategie anbieten, die auf viele Aufgabenstellungen angewandt werden kann (Strathmann & Jakubowski, 2011).

Sollten sich die Lernrückstände trotz aller möglichen schulischen Maßnahmen ausweiten und auch Klassenwiederholungen keine nachhaltige Verbesserung der schulischen Situation herbeiführen, wird das Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs eingeleitet. Das Kind wird bei einer Feststellung von sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen in seiner Klassengemeinschaft zieldifferent inklusiv beschult.


Literatur

Borchert, J. (1996). Pädagogisch-therapeutische Interventionen bei sonderpädagogischem Förderbedarf. Göttingen: Hogrefe.

Klauer. K.J. (2001). Handbuch Kognitives Training. Göttingen: Hogrefe.

Klauer, K.J. (2014). Training des induktiven Denkens – Fortschreibung der Metaanalyse von 2008. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 28 (1-2), 5-19.

Klauer, K.J. & Phye, G.D. (2008). Inductive Reasoning: A Training Approach. Review of Educational Research 78 (1), 85-123.

Marx, E. & Klauer, K.J. (2007). Keiner ist so schlau wie ich I. Ein Förderprogramm für Kinder ab vier Jahren. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Marx, E. & Klauer, K.J. (2009). Keiner ist so schlau wie ich II. Ein Förderprogramm für Kinder. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Marx, E. & Klauer, K.J. (2011). Keiner ist so schlau wie ich III. Ein Förderprogramm für Kinder. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Strathmann, A. (2014). Denk dich fit. Bad Rodach: Wehrfritz.

Strathmann, A. & Jakubowski, K. (2011). Präventive Förderung kognitiver Kompetenzen in der Schuleingangsphase durch das Trainieren induktiver Denkstrategien durch das Denktraining: „Keiner ist so schlau wie ich“. In K. Mahlau, K. Diehl, S. Voß & B. Hartke (Hrsg.), Lernen nachhaltig fördern Klasse 1. Fortbildungseinheiten zur Gestaltung einer präventiven und integrativen Grundschule (S. 299-320). Rostock: Universität Rostock.