Wer erhält Förderung?

Wenn über mehrere Jahre sowohl in den Fächern Deutsch und Mathematik als auch in weiteren Unterrichtsfächern deutliche Leistungsrückstände vorliegen und weitere Fähigkeiten wie die allgemeinen Denkleistungen des Kindes beeinträchtigt sind, wird Schülerinnen und Schülern im deutschsprachigen Raum ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Förderschwerpunkt Lernen bescheinigt. Die Rückstände umfassen dabei zwei bis drei Schuljahre. Der IQ-Wert befindet sich in der Regel im unterdurchschnittlichen Bereich zwischen 70 und 85 und es sind weitere ungünstige Lernvoraussetzungen (z. B. deutliche motorische, soziale und sprachliche Entwicklungsprobleme) zu beobachten.

Wie viele Kinder haben einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich Lernen?

Die schulstatistischen Angaben für das Schuljahr 2012/2013 weisen eine Förderbedarfsquote im Förderschwerpunkt Lernen von etwa 2,26 % im Bundesdurchschnitt und für das Land M‑V von etwa 4,0 % aus. Das Verhältnis zwischen Mädchen und Jungen beträgt nach Angaben von Grünke und Grosche (2014) 2 : 3. Häufig werden Komorbiditäten der Förderschwerpunkte Lernen und emotional-soziale Entwicklung (46 % mit Verhaltensstörungen nach Beurteilung ihrer Lehrer; Myschker 1980) sowie Lernen und Sprache beobachtet. Die Angaben reichen von 27 % (Lechta, 2002) bis zu 86,5 % (Böhme, 1976; s. Voß, Mahlau, Sikora, Blumenthal, Diehl & Hartke, 2015).

Welche Ursachen liegen einem Förderbedarf im Bereich Lernen zugrunde?

Die Gründe für einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Schwerpunkt Lernen sind sehr vielschichtig. Es lassen sich unterschiedlichste personale, biologische, familiäre und sozio-ökologische Risiken kindlicher Entwicklung anführen. Als Ursachen eines Förderbedarfs im Bereich Lernen („Lernbehinderung“) werden u. a. Probleme im Bereich des Arbeitsgedächtnisses, Schwierigkeiten in der Anwendung von Denkstrategien, sprachliche und intellektuelle Entwicklungsrückstände, ein geringes Vorwissen für schulische Fertigkeiten sowie soziale Benachteiligung, inadäquater Unterricht und emotional-soziale Beeinträchtigungen diskutiert (Lauth, 2004).

Wissenschaftlich allgemein akzeptierte Kriterien zur Bestimmung des Personenkreises von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen liegen jedoch nicht vor (Strathmann, 2007). In den letzten Jahren wurden verschiedene praktische Ratgeber entwickelt (z. B. Heimlich, Lutz & Wilfert de Icaza, 2013), die eine Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Bereich Lernen unterstützen.


Literatur

Böhme, G. (1976). Hör- und Sprachstörungen im Kindesalter. Stuttgart: Fischer.

Grünke, M. & Grosche, M. (2014). Lernbehinderung. In G. W. Lauth, M. Grünke & J. C. Brunstein (Hrsg.), Interventionen bei Lernstörungen (2., überarb. und erw. Aufl., S. 76-89). Göttingen: Hogrefe.

Heimlich, U., Lutz, S. & Wilfert de Icaza, K. (2013). Ratgeber Förderdiagnostik. Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs im Förderschwerpunkt Lernen. Hamburg: Persen-Verlag.

Lauth, G.W. (2004). Allgemeine Lernschwäche (Kombinierte Schulleistungsstörung nach ICD 10). In G.W. Lauth, M. Grünke & J.C. Brunstein (Hrsg.), Interventionen bei Lernstörungen: Förderung, Training und Therapie in der Praxis, (S. 55-64). Göttingen: Hogrefe.

Lechta, V. (2002). Symptomatische Sprachstörungen. Störungen bei Kindern mit Behinderung und sprachheilpädagogischer Behandlung. Rieden: Klinkhardt.

Myschker, N. (1980). Verhaltensstörungen bei lernbehinderten Sonderschülern in Hamburg. Vierteljahreszeitschrift für Heilpädagogik und ihre Nachbargebiete, 49, 4, 364-373.

Strathmann, A. (2007). Lernbehinderungen. In J. Borchert (Hrsg.), Einführung in die Sonderpädagogik (S. 219-257).München: Reinhardt.

Voß, S., Mahlau, K., Sikora, S., Blumenthal, Y., Diehl, K. & Hartke, B. (2015). Evaluationsergebnisse des Projekts „Rügener Inklusionsmodell (RIM) – Präventive und Integrative Schule auf Rügen (PISaR)“ nach vier Schuljahren zum Messzeitpunkt Juli 2014. Zugriff am 01.04.2015. Online verfügbar unter: http://www.rim.uni-rostock.de/uploads/media/10.3.RIM-Zwischenbericht_2015.pdf.