Der Deutschunterricht im RIM (Förderebene I)

Im präventiv und inklusiv orientierten Unterricht ist von einer sehr breiten Vielfalt der Lernvoraussetzungen bei den Kindern auszugehen. Um Kindern mit und ohne Lern- und Entwicklungsstörungen das Lesen- und Schreibenlernen zu ermöglichen, muss ein Konzept gewählt werden, welches die Heterogenität einer Klasse berücksichtigt und damit allen Kindern die Chance einräumt, ihren Entwicklungsbedingungen entsprechend erfolgreich zu lernen. Innerhalb des RIM lernen die Schülerinnen und Schüler das Lesen und Schreiben von der ersten bis zur vierten Klasse nach dem Konzept des „Kieler Leseaufbaus“ und des „Kieler Rechtschreibaufbaus“ (Dummer-Smoch & Hackethal, 2001, 2002a). Der Schwerpunkt im Schriftspracherwerb liegt in Klasse 1 auf den basalen Lesefähigkeiten (Lesetechnik und Lesegeschwindigkeit). Der „Kieler Leseaufbau“ (KLA) ist kleinschrittig und klar strukturiert und nach linguistischen Kriterien in 14 Schwierigkeitsstufen eingeteilt. Ein solcher Aufbau ist besonders hilfreich für Kinder mit Schwierigkeiten im Lernen und Sprechen. Andererseits ermöglicht er Kindern mit sehr guten Lernvoraussetzungen oder bereits weit entwickelten Fähigkeiten und Fertigkeiten innerhalb des Schriftspracherwerbsprozesses die darin enthaltenen komplexen Prozesse besser zu erkennen und zu verstehen. Zusätzlich wird die Laut-Buchstaben-Zuordnung durch entsprechende Handzeichen (Lautgebärden) des KLA unterstützt. Als Leselehrgang wird „Lulu lernt lesen“ (Tolkmitt, 2005) verwendet, ein Lehrgangsmaterial, das sich sehr eng am Aufbau des KLA orientiert.

Ab Klasse 2 wird der auf den KLA abgestimmte „Kieler Rechtschreibaufbau“ (KRA) eingesetzt, der ebenfalls das Wortmaterial in Schwierigkeitsstufen gliedert. Analog dazu findet der an den KRA angepasste Rechtschreiblehrgang „Lulu lernt rechtschreiben“ (Tolkmitt, 2009) von Klasse 2 bis Klasse 4 seine Anwendung.

Um die Kinder erfolgreich im Schriftspracherwerb zu begleiten, gilt es, neben der Arbeit mit den Materialien der genannten Lehrgänge im Vorfeld und parallel insbesondere die metaphonologischen Fähigkeiten in der Eingangsstufe zur fördern. Ein wirkungsvolles Programm zur Förderung der phonologischen Bewusstheit wurde von Forster und Martschinke (2008) unter dem Titel „Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi“ herausgegeben. Denkbar ist auch die Anwendung anderer evidenzbasierter Förderprogramme wie z. B. des Würzburger Trainingsprogramms „Hören, lauschen, lernen“ von Küspert und Schneider (2006).

In den höheren Klassenstufen finden zudem weitere Materialien zur Förderung Anwendung, die nach evidenzbasierten Kriterien ausgewählt wurden.

Die Förderung im Deutschunterricht auf den Förderebenen II und III

Kinder, die im Unterricht oder in den Testverfahren durch Schwierigkeiten im Lese- und/oder Rechtschreiberwerb auffallen, erhalten zusätzlich zur Differenzierung im Unterricht eine Förderung auf Förderebene II. Die Förderung erfolgt meist in einer Kleingruppe mit der Methode des direkten Unterrichtens. Ziel ist es, die fehlenden Fähigkeiten und Fertigkeiten zu erarbeiten. Die Pädagogin bzw. der Pädagoge unterstützt den Lernprozess des Kindes durch korrigierende und steuernde Rückmeldungen sowie durch die gezielte Verwendung von evidenzbasierten Lehr- und Lernmitteln.

Der Inhalt der Förderung sollte dabei auf die Lernschwierigkeiten der Kinder abgestimmt sein. Die Entwicklung des Kindes wird durch die wöchentlich durchzuführenden CBM für den jeweiligen Kompetenzbereich (Lesen und/oder Rechtschreiben) und durch Beobachtungen der Pädagogin bzw. des Pädagogen überprüft. Eine fehlende Leistungssteigerung sollte als Anlass gesehen werden, die Förderung erneut auf das Kind abzustimmen, indem z. B. andere evidenzbasierte Materialien oder Fördermethoden eingesetzt werden.

Weitere Materialien, deren Wirksamkeit durch wissenschaftliche Studien überprüft wurden, sind z. B. die Übungs- und Spielmaterialien des Kieler Lese- und Rechtschreibaufbaus (Dummer-Smoch & Hackethal, 2002b, 2002c, 2007), die FRESCH-Methoden (Michel, 2012) zur Förderung der Lese- und Rechtschreibleistung, das Förderprogramm „Marburger Rechtschreibtraining“ (Schulte-Körne & Mathwig, 2009) sowie das strategieorientierte Fördermaterial zur Steigerung des sinnverstehenden Lesens „Wir werden Lesedetektive“ von Rühl und Souvignier (2006).

 

Kinder, die große Schwierigkeiten im Lese- und/oder Rechtschreiberwerb und trotz intensiver Förderung auf den Förderebenen I und II keine ausreichenden Leistungen zeigen, erhalten zusätzlich eine Förderung auf Förderebene III.

Das RIM geht von der Annahme aus, dass die explizite Instruktion die geeignete Methode für Kinder mit erheblichen Lernschwierigkeiten darstellt. Die Lehrperson gliedert die Aufgabe kleinschrittig und erarbeitet einen sicheren Lösungsweg für wiederkehrende relevante Aufgabenstellungen. Zentrale Fähigkeiten werden durch wiederholendes Üben gefestigt. Auch in der Förderung von Kindern mit ausgeprägten Lese-Rechtschreibschwierigkeiten kommen die entwickelten Navigationssysteme zum Tragen. Über die Zuordnung zu einer Kompetenzstufe innerhalb des Lese- und Rechtschreibprozesses mithilfe der Diagnosebögen kann die Sonderpädagogin bzw. der Sonderpädagoge sehr individuell auf die Förderbedürfnisse eingehen.

Die Materialien, die bei der Förderung zum Einsatz kommen, sollten - wie auf Förderebene I und II evidenzbasiert und kompatibel mit der Kieler Konzeption sein. Das Konzept des RIM empfiehlt, auf der Förderebene III die gleichen Materialien wie auf Förderebene II einzusetzen. Bei gravierenden Schwierigkeiten greift die Sonderpädagogin bzw. der Sonderpädagoge zudem auf Zusatz- und Fördermaterialien der vorausgegangen Klassenstufe zurück.

 

Die bereits erhobenen Daten aus den vorausgegangenen Testverfahren und Arbeitsproben des Kindes werden von der Sonderpädagogin bzw. vom Sonderpädagogen qualitativ ausgewertet, um die spezifische Förderung des Kindes so differenziert wie möglich an seine Fähigkeiten anzupassen. Neben den vorliegenden Testergebnissen führt die Sonderpädagogin bzw. der Sonderpädagoge auf Förderebene III weitere diagnostische Verfahren durch, um Ursachen auszuschließen oder zu generieren, die für die ungenügenden Lernfortschritte verantwortlich sein könnten. Das bedeutet, dass er über die Erfassung der Schriftspracherwerbsprozesse hinaus zusätzlich Bereiche überprüft, die möglicherweise die Probleme im Schriftspracherwerb bedingen. Dazu zählen die Konzentrationsfähigkeit, die Sprachentwicklung und die Kognition. Auf der Grundlage einer kooperativen Fallberatung erstellt die Sonderpädagogin bzw. der Sonderpädagoge ein Präventionsgutachten, in welchem die diagnostischen Ergebnisse und die darauf basierende Förderplanung enthalten sind.


Literatur

Dummer-Smoch, L. & Hackethal, R. (2001). Kieler Rechtschreibaufbau. Handbuch (4. Aufl.). Kiel: Veris.

Dummer-Smoch, L. & Hackethal, R. (2002a). Kieler Leseaufbau. Handbuch (6. Aufl.). Kiel: Veris.

Dummer-Smoch, L. & Hackethal, R. (2002b). Kieler Rechtschreibaufbau. Spiele Teil 1 (2. Aufl.). Kiel: Veris.

Dummer-Smoch, L. & Hackethal, R. (2002c). Kieler Rechtschreibaufbau. Spiele Teil 2 (2. Aufl.). Kiel: Veris.

Dummer-Smoch, L. & Hackethal, R. (2007). Kieler Leseaufbau. Handbuch und Übungsmaterialien. Kiel: Veris.

Forster, M. & Martschinke, S. (2008). Leichter lesen und schreiben lernen mit der Hexe Susi (Band 2). Donauwörth: Auer.

Küspert, P. & Schneider, W. (2006). Hören, lauschen, lernen. Sprachspiele für Vorschulkinder. Würzburger Trainingsprogramm zur Vorbereitung auf den Erwerb der Schriftsprache (6. Aufl.). Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Michel, H.-J. (Hrsg.). (2012). FRESCH Freiburger Rechtschreibschule. Grundlagen, Diagnosemöglichkeiten, praktische Übungen zum Thema LRS Klasse 1-13 (10. Aufl.). Buxtehude: AOL-Verlag.

Rühl, K. & Souvignier, E. (2006). Wir werden Lesedetektive – Lehrermanual & Arbeitsheft. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht.

Schulte-Körne, G. (2002). Legasthenie. Zum aktuellen Stand der Ursachenforschung, der diagnostischen Methoden und der Förderkonzepte. Bochum: Winkler.

Tolkmitt, P. (2005). Lulu lernt lesen. Heinsberg: Dieck.

Tolkmitt, P. (2009). Lulu lernt rechtschreiben. Heinsberg: Dieck.