Diagnostisches Vorgehen

Die Entscheidung, welche Förderung ein Kind erhält, wird auf Grundlage von objektiven Daten getroffen, die durch den regelmäßigen Einsatz von Screenings und curriculumbasierten Messverfahren (CBM) ermittelt werden. Dieses Vorgehen hat zum Ziel, Kinder mit Rückständen in der Entwicklung mathematischer Konzepte möglichst frühzeitig zu erkennen und noch vor der Ausbildung von erheblichen Rechenschwierigkeiten vorbeugend zu fördern. Wird ein Kind in standardisierten Testverfahren auffällig, schließt sich eine differenzierte, auf Verstehen der kindlichen Fähigkeiten und Arbeitsweisen abzielende qualitativ ausgerichtete Diagnostik an, auf deren Basis spezifische Fördermaßnahmen geplant und durchgeführt werden. Alle eingesetzten Verfahren können in der unten aufgeführten Tabelle eingesehen werden.

Screeningverfahren

Im RIM kommen Screenings zwei Mal pro Schuljahr, am Anfang und in der Schuljahresmitte, zum Einsatz. Alle eingesetzten Verfahren sind im Klassenverband durchführbar und zeitökonomisch auszuwerten. Mathematische Screenings verfolgen im Allgemeinen das Ziel, die Leistungen der Schülerinnen und Schüler in den für die jeweilige Klassenstufe bedeutenden Aspekten des Lehrplans zu erfassen. So sollten beispielsweise zu Beginn der ersten Klasse grundlegende pränumerische und erste numerische Einsichten und Konzepte, die Voraussetzung für einen gelingenden Kompetenzerwerb im Fach Mathematik sind, geprüft werden. Auf diese Weise erhält die Lehrkraft ein umfassendes Bild über den aktuellen Leistungsstand jedes Kindes der Klasse. Sie findet damit die förderbedürftigen Kinder und kann darauf aufbauend individuelle Fördermaßnahmen initiieren.

Lernfortschrittsdokumentation durch CBM

CBM in Klasse 3 und 4: Erfassung der Leistungsentwicklung Arithmetik (ELEA; Sikora & Voß, 2014)

In einem vierwöchentlichen Abstand werden curriculumbasierte Messverfahren (CBM) eingesetzt, welche die Lernfortschritte aller Kinder dokumentieren, um bei ausbleibenden Lernerfolgen zeitnah reagieren zu können. Die Forschung über CBM im Fach Mathematik für den Grundschulbereich steckt im deutschsprachigen Raum noch in den Anfängen, sodass bisher erst wenige praxistaugliche Verfahren zur Verfügung stehen. Die im RIM verwendeten CBM wurden an der Universität Rostock zeitlich parallel zur Beschulung des ersten Projektjahrgangs entwickelt und in einer unabhängigen Stichprobe evaluiert.

→ Hier finden Sie eine Übersicht über die im Rahmen des Rügener Inklusionsmodells konzipierten CBM.

Übersicht Verfahren

Die nachfolgende Tabelle weist die im RIM eingesetzten Screenings und CBM aus. Die kursiv abgebildeten Verfahren können alternativ durchgeführt werden. Beim Klick auf das jeweilige Screening oder CBM öffnet sich ein Steckbrief mit weiterführenden Informationen.  

Im RIM eingesetzte Screenings und CBM

Erläuterungen: MÜSC– Münsteraner Screening; IEL-1 – Inventar zur Erfassung der Lesekompetenzen von Erstklässlern; CBM – Curriculumbasierte Messverfahren, FE-l – Formative Evaluation Lesen; FE-RS – Formative Evaluation Rechtschreiben; LDL – Lernfortschritt

SW Klasse 1 Klasse 2 Klasse 3 Klasse 4
3/4 KEKS 1 Anfang oder Kalkulie Teil 1 KEKS 2 Anfang oder Kalkulie Teil 3 KEKS 3 Anfang oder FE-AF 2 KEKS 4 Anfang oder Mathes 3
8 CBM NS 1 CBM NS 3 ELEA 3 ELEA 4
12 CBM NS 1 CBM NS 3 ELEA 3 ELEA 4
16 CBM NS 1 CBM NS 3 ELEA 3 ELEA 4
20/21 KEKS 1 Mitte oder Kalkulie Teil 2 KEKS 2 Mitte oder FE-AF 2 KEKS 3 Mitte oder Mathes 3 KEKS 4 Mitte oder Bildungsstandards: Kompetenzen überprüfen und fördern – Mathematik
24 CBM NS 2 CBM NS 4 ELEA 3 ELEA 4
28 CBM NS 2 CBM NS 4 ELEA 3 ELEA 4
32 CBM NS 2 CBM NS 4 ELEA 3 ELEA 4
36 CBM NS 2 CBM NS 4 ELEA 3 ELEA 4
40 (CBM NS 2) (CBM NS 4) (ELEA 3) KEKS 4 Ü (und ELEA 4)

Qualitative Diagnostik

Wird ein Kind in den Screenings und/oder CBM auffällig, verschafft sich die Lehrkraft einen genaueren Einblick in die Fähigkeiten und Probleme des jeweiligen Kindes und versucht, die Gründe der Lernproblematik herauszufinden. Diese qualitative Diagnostik  ist Bestandteil der Förderebenen II und III. Aufgrund des individuellen Anspruchs und der bereits in der Grundschule hohen Komplexität des Fachs Mathematik, kann eine qualitative Diagnostik nur bedingt mithilfe von standardisierten Testverfahren erfolgen. Zur Unterstützung der Lehrkraft wurde an der Universität Rostock ein diagnostischer Leitfaden mit dazugehörigen Aufgabenblättern bzw. Analysebögen entwickelt, mit dessen Hilfe der genaue Wissens- und Entwicklungsstand des jeweiligen Kindes in den arithmetischen Kerninhaltsbereichen ermittelt werden kann. Dieses sogenannte „Mathe-Navi“ wird unter dem Punkt Datenbasierte Entscheidungsfindung genauer beschrieben.


Literatur

Granzer, D., Reiss, K., Winkelmann, H., Robitzsch, A., Köller, O. & Walther, G. (2008). Bildungsstandards: Kompetenzen überprüfen. Mathematik Grundschule Klasse 3/4. Berlin: Cornelsen.

Kuhlmann, K. & Hartke, B. (2011b). Formative Erfassung arithmetischer Fähigkeiten im 2. Schuljahr. Rostock: Universität Rostock.

Fritz, A., Ricken, G. & Gerlach, M. (2007). Kalkulie. Handreichung zur Durchführung einer Diagnose. Berlin: Cornelsen.

KEKS 1-4 (Kompetenzerfassung in Kindergarten und Schule – Mathematik)

Sikora, S. & Hartke, B. (2012). Formative Erfassung der mathematischen Kompetenz von Drittklässlern. Mathes 3. Versuchsversion. Rostock: Universität Rostock.

Sikora, S. & Voß, S. (2014). Erfassung der Leistungsentwicklung Arithmetik in dritten und vierten Klassen. ELEA 3-4. Versuchsversion. Rostock: Universität Rostock.

Voß, S. & Hartke, B. (2014). Curriculumbasierte Messverfahren (CBM) als Methode der formativen Leistungsdiagnostik im RTI-Ansatz. In M. Hasselhorn, W. Schneider & U. Trautwein (Hrsg.), Lernverlaufsdiagnostik. Tests und Trends NF Bd. 12 (S. 83-99). Göttingen: Hogrefe.