EbP - Was ist das?

„Evidenzbasierte Praxis“ (EBP) ist ein Schlagwort im (sonder-)pädagogischen Diskurs der letzten Jahre im deutschsprachigen Raum (Blumenthal & Mahlau, in Vorb.; Nußbeck, 2007; Fingerle & Ellinger, 2008; Hartke, 2005; Beushausen, 2014; Hartmann, 2013). Was aber verbirgt sich genau hinter diesem Begriff?

Die meisten fachwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der EbP in der Sonderpädagogik fokussieren ausschließlich den wissenschaftlichen Nachweis über die Wirksamkeit einer pädagogischen Maßnahme, die sogenannte externe Evidenz. Dieses Vorgehen sollte durch das Einbeziehen des individuellen Wissens und die Erfahrung der Expertin bzw. des Experten (interne Evidenz) sowie die Vorlieben und Bedürfnisse der Klientin bzw. des Klienten (soziale Evidenz) ergänzt werden. Daher sind bei einem evidenzbasierten Vorgehen die Entscheidungen für eine Behandlung oder Therapiemaßnahme auf Grundlage dieser drei Evidenzaspekte zu treffen:

EbP - Was soll das?

Übertragen auf (sonder)pädagogische Kontexte, sollten evidenzbasierte Entscheidungen für Unterrichtsmethoden, Materialien und Fördermaßnahmen anhand aktuell gültiger wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Einbezug der Expertise der pädagogischen Fachkräfte und der spezifischen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler bzw. deren Erziehungsberechtigten getroffen werden. Ziel ist es, die bestmögliche und geeignetste Handlungsstrategie für alle beteiligten Personen zu finden.

EbP - Wie geht das?

Kriterienliste zur wissenschaftlich begründeten Materialauswahl im Mathematikunterricht der Grundschule
Kriterienliste zur wissenschaftlich begründeten Materialauswahl im Mathematikunterricht der Grundschule

Leitfaden zur Bewertung der Beweiskraft von Evaluationsstudien

Eine große Hürde bei der Einschätzung vorliegender Wirksamkeitsbefunde stellt die Bewertung der Beweiskraft von Evaluationsstudien dar. Durch die Projektgruppe wurde daher ein Leitfaden ausgearbeitet, welcher diesen Prozess erleichtern soll. Der Leitfaden ist unten auf dieser Seite abrufbar. Derzeit wird an der Universität Rostock an einem Online-Tool gerbeitet, welches eine internetgestützte Arbeit mit dem Leitfaden ermöglichen soll. Dieses Tool wird nach Fertigstellung ebenfalls über diese Seite erreichbar sein.

 

Kriterien zur Materialeinschätzung in der Grundschule

Ein weiteres Problem ist, dass derzeit häufig noch  Wirksamkeitsstudien zu verschiedensten Lehr- und Fördermitteln ausstehen. Vor diesem Hintergrund ist das Ziel, die Auswahl der Unterrichts- und Fördermaterialien evidenzbasiert zu gestalten, nicht für jeden Lern- bzw. Entwicklungsbereich realisierbar. Dies ist besonders problematisch, da sich Lehrpersonen einer beinahe unüberschaubaren Menge an erhältlichen Materialien, Ansätzen und Programmen gegenübersehen. Dennoch sollte der Anspruch nach empirisch belegbarer Wirksamkeit deutscher Unterrichtslehrwerke und Förderprogramme aufrechterhalten werden. Für die Übergangszeit sollten wissenschaftlich anerkannte Materialien und Programme herangezogen werden (Voß et al., 2015).

Im Artikel "Was heißt hier Evidenzbasiert? – Kriterien zur wissenschaftlich begründeten Auswahl von Materialien für den Mathematikunterricht in der Grundschule" von Voß, Sikora und Hartke (2015) werden auf Grundlage von Erkenntnissen verschiedener Wissenschaftsdisziplinen, wesentliche, für die Lehrmittelwahl im Mathematikunterricht der Grundschule relevanten Merkmale  zusammengefasst. Auf Grundlage der in diesem Beitrag beschriebenen Kriterien wurde an der Universität Rostock ein Katalog erarbeitet, anhand dessen eine wissenschaftlich fundierte Auswahl von Unterrichts- bzw. Fördermaterialien für den Mathematikunterricht der Grundschule gewährleistet werden soll. Dem Anwender soll somit geholfen werden, ein neues Unterrichtswerk einzuschätzen oder sein bisher eingesetztes Material kritisch zu reflektieren.

Analog wurde eine Kriterienliste für Lehrmittelwahl im Deutschunterricht angefertigt (Diehl, Voß, Sikora & Hartke, 2015). Alle Kriterienlisten sind unten als Pdf herunterladbar.

Als Erleichterung für Lehrkräfte wird derzeit zusätzlich ein Online-Tool zur internetbasierten Materialeinschätzung erarbeitet, welches an diese Internetpräsenz angebunden werden soll. 


Literatur

Beushausen, U. (2014). Chancen und Risiken einer evidenz-basierten Sprachtherapie. Logos, 22, 96-194. Blumenthal, Y. & Mahlau, K. (in Vorb.) Evidenzbasierung in der schulischen Sonderpädagogik. Zeitschrift für Heilpädagogik.

Fingerle, M. & Ellinger, S. (2008). Sonderpädagogische Förderung im Vergleich. In M. Fingerle & S. Ellinger (Hrsg.), Sonderpädagogische Förderung im Vergleich (S. 7-10). Stuttgart: Kohlhammer.

Hartke, B. (2005). Schulische Prävention – welche Maßnahmen haben sich bewährt? Zeitschrift für Heilpädagogik, 56 (12), 470-481.

Hartmann, E. (2013). Evidenzbasiertes Denken und Handeln in der Logopädie/Sprachheilpädagogik. State of the Art und Perspektiven. Vierteljahreszeitschrift für Heilpädagogik, 4, 339-343.

Nußbeck, S. (2007). Evidenzbasierte Praxis – ein Konzept für sonderpädagogisches Handeln? Sonderpädagogik, 37 (2/3), 146-155.

Voß, S., Sikora, S. & Hartke, B. (2015). Was heißt hier Evidenzbasiert? – Kriterien zur wissenschaftlich begründeten Auswahl von Materialien für den Mathematikunterricht in der Grundschule. Zeitschrift für Heilpädagogik, 2, 85-101.