Der Mathematikunterricht im RIM (Förderebene I)
Das Ziel des Mathematikunterrichts im RIM ist es, den Unterricht so zu gestalten, dass alle Kinder zu mathematischem Verständnis im Sinne der Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz (KMK, 2004) gelangen und möglichst alle Schülerinnen und Schüler die Lernziele der jeweiligen Klassenstufe erreichen. Diesen hohen Anspruch kann nur ein didaktisch-methodisch hochwertig geplanter und durchgeführter Unterricht erfüllen, der die individuellen Schwierigkeiten der Kinder im mathematischen Lernprozess berücksichtigt und diesen mit umfangreichen unterrichtsintegrierten offenen bis hin zu strukturierten lückenschließenden Differenzierungsangeboten begegnet. Damit ein „moderner“ inklusionsorientierter Mathematikunterricht realisiert werden kann, müssen auch die im Klassenunterricht verwendeten Unterrichtsmaterialien für den Aufbau mathematischen Verständnisses, insbesondere bei schwächeren Schülerinnen und Schülern, geeignet sein. „Das Zahlenbuch“ (Wittmann & Müller, 2004) zielt durch konkrete didaktische Überlegungen zu Sozialformen und Übungsformaten darauf ab, den Bedürfnissen aller Schülerinnen und Schüler gerecht zu werden. Das Besondere dabei ist, dass Differenzierungsmaßnahmen nach dem Zahlenbuch-Konzept oftmals nicht von der Lehrkraft vorgegeben werden müssen, sondern beim „aktiv-entdeckenden Lernen“ vom Kind ausgehen (sogenannte „natürliche Differenzierung“ [Müller & Wittmann, 1998; Hirt & Wälti, 2008]). Andererseits kann die Lehrkraft aber auch mit den vorhandenen Materialien lernzielorientiert explizit unterrichtend den Kompetenzerwerb anregen und steuern. Dafür liefert das Zahlenbuch ein umfangreiches Material für Differenzierungsmaßnahmen durch Arbeitshefte, Aufgabensammlungen oder handlungsorientierte Übungsmöglichkeiten. Neben einer gesicherten Vermittlung grundlegender mathematischer Konzepte wird eine anschließende Automatisierung der Fähigkeiten angestrebt. Diese hat das Ziel, das Arbeitsgedächtnis zu entlasten, um Kapazitäten für „höhere“ Denkprozesse freizusetzen. Deshalb gehört ein „Blitzrechenkurs“ (Wittmann & Müller, 2008) zum Zahlenbuchkonzept, den es in Karteikartenversion oder als Computerprogramm gibt.
Die Förderung auf den Förderebenen II und III
Nachdem der Förderbedarf eines Kindes festgestellt wurde, wird es zusätzlich zum Regelunterricht auf der FE II durch die Grundschullehrkraft gefördert. Die Förderarbeit auf der FE II orientiert sich eng am aktuellen Unterrichtsgeschehen und soll den Kindern durch die Aufarbeitung der wesentlichen Unterrichtsinhalte zu zentralen mathematischen Einsichten verhelfen, um so die Grundlage für ein erfolgreiches Weiterlernen zu schaffen. Dieses sogenannte lückenschließende Lernen geschieht in Kleingruppen von maximal vier bis sechs Kindern für wöchentlich eine bzw. zwei Stunden. Kinder, die nicht in ausreichendem Maß von den Unterrichts- und Förderangeboten der FE I und II profitieren, werden zusätzlich auf der FE III im Rahmen von individuellen Einzelfallhilfen intensiv unterstützt. Während die Maßnahmen auf den FE I und II im Aufgabenfeld der Grundschullehrkraft liegen, trägt auf der Ebene III die Sonderpädagogin oder der Sonderpädagoge die Verantwortung für die Förderung. Zur Erreichung der Förderziele werden die mathematischen Inhalte durchgängig kleinschrittig und explizit instruierend mit dem Kind erarbeitet. Die Sonderpädagogin oder der Sonderpädagoge zeigt der Schülerin oder dem Schüler dabei beispielsweise einen übersichtlich strukturierten Lösungsweg, wie z. B. eine Ergänzungsstrategie bei der Addition, und übt diesen gemeinsam mit dem Kind an inhaltlich prägnanten Übungsbeispielen. Je sicherer das Kind in der Anwendung dieser Strategie wird, umso weniger unterstützt die Sonderpädagogin oder der Sonderpädagoge bei der Lösung der Übungsaufgaben. Durch dieses explizite Vorgehen soll sichergestellt werden, dass auch Kinder mit ausgeprägten Rechenschwierigkeiten die zentralen Entwicklungsstufen des Mathematikunterrichts erreichen und möglichst wieder Anschluss an den Regelunterricht finden.
Für die Förderung werden einerseits die Materialien des aus dem Unterricht bekannten Zahlenbuchs herangezogen. Neben dem jahrgangsweisen Arbeitsheft „Verstehen und Trainieren“ (Müller & Wittmann, 2010) bietet das Zahlenbuchmaterial auch hervorragende Strukturierungshilfen für rechenschwache Kinder (z. B. Zwanzigerfeld und Wendeplättchen), mit denen abstrakte mathematische Sachverhalte hervorragend dargestellt und verstanden werden können. Andererseits nutzen die Lehrkräfte einschlägige wissenschaftliche bzw. evidenzbasierte Förderprogramme für die Förderung, insbesondere das Trainingsprogramm „Kalkulie“ (Gerlach, Fritz, Ricken & Schmidt, 2007), das Computerprogramm „Rechenspiele mit Elfe und Mathis“ (Lenhard & Lenhard, 2010), den Förderkoffer „Mengen, zählen, Zahlen“ (Krajewski, Nieding & Schneider, 2007), das Trainingsprogramm „MARKO-T“ (Gerlach, Fritz & Leutner, 2013) oder die Handbücher „Produktives Lernen für Kinder mit Lernschwächen“ (Scherer, 2012). Für zusätzliche Impulse zur Gestaltung von Unterricht und Förderung wird den Praktikerinnen und Praktikern im Mathematikkonzept des Rügener Inklusionsmodells praxisorientierte Literatur mit anregenden Vorschlägen und hilfreichen Materialien empfohlen.
Literatur
Gerlach, M., Fritz, A. & Leutner, D. (2013). Mathematik- und Rechenkonzepte im Vor- und Grundschulalter – Training. Göttingen: Hogrefe.
Gerlach, M., Fritz, A., Ricken, G. & Schmidt, S. (2007). Kalkulie. Trainingsprogramm Baustein 1. Berlin: Cornelsen.
Hirt, U. & Wälti, B. (2008). Lernumgebungen im Mathematikunterricht. Natürliche Differenzierung für Rechenschwache bis Hochbegabte. Seelze-Velber: Klett & Kallmeyer.
Krajewski, K., Nieding, G. & Schneider, W. (2007). Mengen, zählen, Zahlen. Die Welt der Mathematik verstehen. Berlin: Cornelsen.
Kultusministerkonferenz (2004). Bildungsstandards im Fach Mathematik für den Primarbereich. München: Luchterhand.
Lenhard, W. & Lenhard, A. (2010). Rechenspiele mit Elfe und Mathis. Göttingen: Hogrefe.
Müller, G.N. & Wittmann, E.Ch. (1998). Mündliches Rechnen in Kleingruppen – Der Förderkurs. Teil 1: Zwanzigerraum. Leipzig: Klett.
Scherer (2012). Produktives Lernen für Kinder mit Lernschwächen: Fördern durch Fordern. Band 2: Addition und Subtraktion im Hunderterraum (6. Aufl.). Horneburg: Persen.“
Wittmann, E.Ch. & Müller, G.N. (2004). Das Zahlenbuch 1. Lehrerband. Stuttgart: Klett.
Wittmann, E.Ch. & Müller, G.N. (2008). Probieren und Kombinieren 1. Igelaufgaben zum Zahlenbuch 1. Stuttgart: Klett.